Zielsetzung und Anlass des Vorhabens:
Im Jahr 2002 wurden im deutschen Tabakbau durch den Blauschimmel (Peronospora tabacina) beträchtliche Schäden verursacht. Dies ist neben anderen Gründen wahrscheinlich auf drei hauptsächliche Umstände zurückzuführen. Zum einen wurden in Gewächshäusern zentral angezogene und blauschimmelinfizierte Jungpflanzen, die für Sortenversuche bestimmt waren, in den wichtigsten Anbaugebieten ausgepflanzt. Dies erklärt auch das frühe Auftreten des Blauschimmels in 2002. Zweitens waren diese infizierten Jungpflanzen mit einer Blauschimmelrasse befallen, die gegen das häufig verwendete systemische Fungizid "Ridomil TK" mit dem Wirkstoff Metalaxyl resistent sind. Deshalb blieben die früher sehr erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen diesmal oft wirkungslos. Drittens war die feuchte und warme Witterung im Frühjahr und Sommer im Jahr 2002 für die Ausbreitung und das Wachstum des Pilzes besonders günstig.
Entwicklung des Modells:
Die Entwicklung des neuen Prognosemodells erfolgt in vier Schritten...
- Erkennen und Einschränken des Problems (Informationen von Experten über das phytopathologische Problem und Organisation von verfügbarem Wissen sowie das Studium der Literatur)
- Entwurf des Modells (Definition des Modellkonzeptes und der mathematischen Formeln)
- Validierung des Modells (Überprüfung der Übereinstimmung zwischen Modellergebnis und Wirklichkeit; Handhabung des Modells)
- Verbesserung, Reduktion oder Erweiterung des Modells
In Abbildung 1 (siehe unten) ist der Infektionszyklus des Blauschimmels dargestellt. Zuerst erfolgt der Zuflug von Pilzsporen aus einem Reservoir. Dieses wird auch als Inokulum bezeichnet. Klassisch war bisher der Zuflug der Pilzsporen mit Luftströmungen aus tabakbautreibenden Ländern des südlichen Mittelmeers. Dieser Zuflug wird jährlich mit Hilfe der CORESTA Meldungen erfasst. Wie oben bereits erwähnt, kann es aber auch noch andere Quellen für Pilzsporen geben. Nachdem die Blauschimmelsporen auf der Tabakpflanze gelandet sind, beginnt die Keimung der Sporen und das Eindringen in das Blattgewebe. Dort bildet sich ein verzweigtes Pilzmyzel, das später wieder selbst neue Pilzsporen erzeugt. Diese Pilzsporen werden dann auf Nachbarpflanzen geweht und lösen neue Infektionen aus. Die eben beschriebenen Vorgänge werden von mehreren Größen beeinflusst. Der wichtigste Faktor ist die Witterung. Außerdem spielt auch die Anfälligkeit der Pflanze ein große Rolle. Betrachtet man die Witterung, ist vor allem die Temperatur für die Geschwindigkeit der ablaufenden Prozesse entscheidend. Die Luftfeuchte und der Niederschlag sorgen für die geeigneten Infektionsbedingungen. Bei der Erstellung eines Prognosemodells müssen alle hier aufgezeigten Vorgänge mit mathematischen Formeln und Entscheidungsregeln beschrieben werden (siehe 2. Schritt der Modellerstellung). Wenn dies gelungen ist, müssen geeignete Daten aus Labor-, Gewächshaus- und Feldversuchen gesammelt werden, um das Modell zu justieren. Ziel unserer Entwicklung ist die Empfehlung geeigneter Spritzstrategien auf Basis des geplanten Prognosemodells. Das Prognosemodell wird den Namen SIMPEROTA (Simulation von Peronospora tabacina) tragen. Es sollen drei Modellvarianten entwickelt werden:
- SIMPEROTA 1 zur Berechnung des Spritzbeginns in den einzelnen Anbauregionen
- SIMPEROTA 2 als wissenschaftliches Modell zur Berechnung des Befallsverlaufes auf einzelnen Schlägen
- SIMPEROTA 3 als praxisrelevantes Modell zur Berechnung gefährlicher Infektionsperioden in den Anbauregionen
Das Vorbild für diese Modelle sind die erprobten und erfolgreichen SIMPHYT Modelle, die zur Prognose der Krautfäule (Phytophthora infestans) in Kartoffeln deutschlandweit eingesetzt werden. Durch die langjährige Anwendung der SIMPHYT Modelle konnte gezeigt werden, dass gegenüber routinemäßigen Fungizideinsätzen zwei Behandlungen eingespart werden. Dabei war die Befallshäufigkeit dieser Felder gegenüber den routinemäßig behandelten am Ende der Saison sogar vermindert. Die Ergebnisse der SIMPHYT-Modelle können über den Warndienst der Offizialberatung und auch durch den einzelnen Landwirt im Internet unter www.isip.de abgerufen werden. Ähnliche Modelle sollen auch für den Blauschimmel entwickelt werden.
Ausblick:
Am Ende eines dreijährigen Projektes, das im Sommer 2003 begonnen hat, werden praxisreife Prognosemodelle für den Blauschimmel an Tabak entstehen. Die Arbeit erfolgt in enger Kooperation der ZEPP mit den Tabakbauberatern. Die Finanzierung dieses Projektes wird durch die Länder Baden Württemberg, Rheinland-Pfalz sowie einigen Tabakbauverbänden und Erzeugergemeinschaften sichergestellt. Ziel ist es, die Erfolge, die bei der Prognose der Krautfäule an Kartoffeln gemacht wurden, auch auf die Prognose des Blauschimmels an Tabak zu übertragen. Dadurch wird eine Methode zur Verfügung gestellt werden, die bei der effizienten Blauschimmelbekämpfung gut eingesetzt werden kann.
Abbildung 1